Erster Besuch im Aue-Pavillon, einem der Ausstellungsorte der documenta 12:¹ Ein »Endlos-Foyer«, ausgedehnt zu zwei riesigen Sälen, durch eine Art Schleuse miteinander verbunden, in dem sich Saâdane Afifs Klanginstallation Black Chords plays Lyrics befindet. Auf dem Weg dorthin anklingend, lange nachklingend, abklingend. Sonst herrscht in den beiden Sälen, die durch die Anordnung der Objekte in vielfältiger Weise kleinräumig unterteilt sind, eine fast schon erstaunliche Stille und Konzentration. Geprägt von unterlegtem Raunen, dem Klang von Stimmen, verhaltenem Austausch, das einzelne Gespräch nur in Ausnahmen herausklingend. Dabei Aufmerksamkeit, Offenheit, Interesse der zahlreichen Besucher, gepaart mit den bekannten Zügen des Ausstellungstourismus, die auch auf der documenta 12 anzutreffen sind.
Die von Roger M. Buergel als künstlerischem Leiter und der Kuratorin Ruth Noack konzipierte Ausstellung der Arbeiten von 109 Künstlern und Künstlerinnen aus 43 Ländern stand unter einem dreifachen Motto:²
»Ist die Moderne unsere Antike?«
»Was ist das bloße Leben?«
»Was tun?«
In einer einleitenden Kurzdarstellung der drei Leitmotive formuliert Buergel erläuternd: »Es ist kein Zufall, dass diese Leitmotive als Fragen formuliert sind, schließlich machen wir die Ausstellung, um etwas herauszufinden.«³
Der Ansatz lässt aufhorchen. Was soll herausgefunden werden? Im Hinblick auf die bildende Wirkung von Kunstschaffen und ästhetischer Erfahrung kommt Buergel zu Schluss und Antwort auf die selbst aufgeworfene Frage, was zu tun sei. »Heute erscheint ästhetische Bildung als die einzig tragfähige Alternative zu Didaktik und Akademismus auf der einen und Warenfetischismus auf der anderen Seite.«
Wie müsste aber eine solche Bildung beschaffen sein, wo hätte sie anzusetzen, sollte sie einen Weg aus dem Dilemma von Akademismus und Warenfetischismus weisen können? – Wir seien »angesichts der zeitgenössischen Kunst zunächst alle Idioten«, so Buergel an anderer Stelle, was jedoch möglicherweise eine Voraussetzung darstelle, sich auf ästhetische Erfahrung einzulassen. »Idiotie« ihrem ursprünglichen Sinne nach als Voraussetzung ästhetischer Erfahrung und Bildung? Damit ließe sich womöglich etwas anfangen, jenseits ideologischer oder technisch-pragmatischer Bildungsansätze. Denn ginge es dabei nicht um das jedem Einzelnen eigene, selbst von ihm in die Hand genommene, jenseits von Kenntnissen und Vorwissen vollzogene Wahrnehmen, mit anderen Worten um einen phänomenologischen Beobachtungsansatz? Ein Ansatz, der erprobenswert erscheint.
Notwendige Zwischenbemerkung
Bei allem im Folgenden Dargestellten soll nicht übersehen werden: Die Gegenwartskunst kennt keinen Kunstbegriff, d.h. sie entbehrt in gewissem Sinne einer Idee ihrer selbst und damit auch der Selbsterkenntnis. Ganz anders als z.B. hinsichtlich dessen, was heute allgemein als Wissenschaft verstanden wird und einigermaßen klaren begrifflichen Vorgaben unterliegt, gilt für die zeitgenössische Kunst, dass ihr keine bewusst gefasste Ideengestalt zugrunde liegt. Eine gegenwärtig zutreffende Bezeichnung, was denn Kunst eigentlich sei, könnte bestenfalls lauten: Kunst ist, was man so nennt.
Wir wollen uns jedoch dabei nicht aufhalten, sondern den Versuch machen, uns jenseits fixierter Bezeichnungen den Werken der sogenannten zeitgenössischen Kunst zuzuwenden. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir diese als Alltagsgegenstände, Politpropaganda, als Nonsens oder Kunstgegenstände betrachten. Entweder es gelingt uns, unabhängig von begrifflichen Zuordnungen, uns auf sie einzulassen oder nicht.
Die documenta 12 – erste Begegnungen
Was trat von der documenta 12 ins Bewusstsein auch jener Einwohner Kassels, welche die eigentliche Ausstellung nicht besuchten?
Da war z.B. das von Sanja Iveković auf dem Friedrichsplatz, einem der größten innerstädtischen Plätze Deutschlands, angepflanzte Mohnfeld. Wo sonst kurz gehaltene Rasenflächen unscheinbar wie allerorten dem Platz ein stereotypes Aussehen geben, konnte man dem Erblühen eines Mohnfeldes zusehen. Roter Klatschmohn mit Einsprengseln von lila Schlafmohn. Statt einer immer gleichen Rasenfläche ein Geschehen, anfänglich, sich steigernd, einen Höhepunkt bildend, abnehmend, vergehend. Eine Art öffentlicher prozessualer Mittelpunkt der 100 Tage währenden Ausstellung wurde damit geschaffen. Rot auf Grün, Gegenfarben, leuchtend, herrschaftlich. Die Künstlerin schuf zugleich einen Bezug zum Opiumanbau im heutigen Afghanistan: Zweimal täglich erklangen über Lautsprecher Lieder afghanischer Frauen, die sich gegen fundamentalistischen Terror und alliierte Selbstgerechtigkeit zur Wehr setzen.
Ein Pendant dazu ganz anderer Art bildete Fairytale von Ai Weiwei. 1001 Gäste aus China besuchten auf Einladung des chinesischen Künstlers die documenta. Die Besucher wurden unter mehreren Tausend Bewerbern ausgewählt, die meisten von ihnen waren zuvor nie im Ausland und beherrschten keine Fremdsprache. Gleichsam in Korrespondenz zu den chinesischen Gästen waren 1001 Holzstühle aus der Qing-Dynastie (1644-1911) auf das gesamte überdachte Ausstellungsgelände verteilt und standen den Besuchern als Sitzgelegenheiten zur Verfügung.
Neben diesen und anderen für jedermann erfahrbaren Werken, die das Stadtbild von Kassel prägten, fand man sich einer schier überwältigenden Anzahl von Ausstellungsobjekten gegenüber, sobald man eines der größeren Ausstellungsgebäude betreten hatte. Entsprechend dem ersten Leitmotiv der Ausstellung, »Ist die Moderne unsere Antike?«, fand sich Älteres und Altes neben Neuestem und jüngst erst Entstandenem.
Werke und Motive
Fortsetzung des Besuchs im Aue-Pavillon, der extra für die documenta 12 in der zentral gelegenen Kasseler Karlsaue aufgebaut wurde: Neben wenigen anderen lässt sich ein Motiv ständig wiederkehrend entdecken: Kreisend um Themen wie Unrecht und Gerechtigkeit, Armut und Reichtum, Gewalt und Sterben, soziale Not und Elend werden in vielen Werken soziale Themen aufgegriffen. So dokumentiert der Fotojournalist George Osodi in Oil Rich Niger Delta das für europäische Augen kaum vorstellbare Leben an der Küste Nigerias. Dort, wo sich seit Jahrzehnten eine gewaltige Ölindustrie entwickelt hat, leben die Menschen unter schlimmsten Bedingungen, traditionelle Landwirtschaft und Fischerei werden vernichtet, die Umwelt durch auslaufendes Öl und brennendes Gas zerstört. Die Aufnahmen Osodis werden in Form einer Diashow gezeigt.
Ganz anders arbeitet und verarbeitet Abdoulaye Konaté entsprechende Themen. Hier wird nichts dokumentiert, vielmehr werden das Thema des Völkermords oder der schwere Dauerkonflikt im Nahen Osten mit einfachen Mitteln in sprechende Bilder gebracht. Vier nebeneinander hängende, schmucklos naturfarbene Leinentücher in Format und ungefährer Größe von Türen, zumeist im unteren Bereich mit eingewebten roten, z.T. tropfenförmigen kleinen Gewebeflächen versehen, auf einem von ihnen zusätzlich erkennbar eine Zielscheibe; vor ihnen ausgebreitet auf dem Boden bunte Kinderkleider … (Bosnie Angola Rwanda). Das so erzeugte Bild ist gleichsam Versuch einer Besinnung mit künstlerischen Mitteln auf kaum vorstellbares Leid und Grauen.
Oder die Videoinstallation Dengbêjs von Halil Altindere: Männer versammeln sich in einem traditionellen mesopotamischen Landhaus. Islamisches Ambiente: Teppiche auf dem Boden, an den Wänden, Sitzkissen. Die fünf Männer setzen sich im Halbkreis. Einer nach dem anderen trägt in einer Art Sprechgesang eine Geschichte vor: Lieder über persönliche Erlebnisse, den Verlust von Söhnen und Töchtern im Widerstand gegen die Unterdrückung des kurdischen Volkes, der Heimat. Im Anschluss an die Zeremonie der Dengbêjs, Lyrikern und singenden Chronisten der Geschichte ihrer kurdischen Gemeinschaft, wird durch entsprechende Kameraführung aus der Distanz sichtbar, dass sich das Landhaus, Ort des Geschehens, mitten in einer Großstadt (Diyarbakir, Türkei) auf dem Dach eines modernen Hochhauses befindet.
Um das erwähnte Motiv noch aus anderer Sicht zu beleuchten, besuchen wir die Neue Galerie. Hier befindet sich in einem extra zur Verfügung stehenden Raum das Werk Collateral der Inderin Sheela Gowda. Dieses ist Endprodukt eines Prozesses, in dessen Verlauf die Künstlerin auf acht knapp über dem Boden befindlichen tischähnlichen Rahmen Weihrauch zu verschiedenen flächenartigen und linearen Formen angeordnet und anschließend verbrannt hat. Der Besucher findet Aschereste vor, die in ihren zarten Strukturen extrem empfindlich sind, weshalb der Raum nur jeweils zwei Betrachtern zugänglich ist.
Abschließend wenden wir uns im Museum Fridericianum Nedko Solakovs Top Secret zu. Die Arbeit präsentiert in Form eines altmodischen Karteikastens mitsamt Inhalt, gleichsam Bekenntnis, Aufarbeitung und Selbstanzeige, Erinnerungen und Rekonstruktion der Zusammenarbeit des jungen Solakov mit dem bulgarischen Geheimdienst in den frühen 80er Jahren. Das Werk stammt aus dem Jahr 1989 und provozierte in Bulgarien eine heftige Debatte. Bis heute sind keinerlei offizielle Dokumente bekannt geworden, die Solakovs Kollaboration mit dem Geheimdienst belegt hätten.
Die genannten Beispiele berühren Themen der Beschädigung, Verletzung, Auslöschung des (sozialen) Lebens. Gelingt es ihnen, diese Themen dem Betrachter nahezubringen? Was wird in ihm angeregt? Was nicht? Wird überhaupt etwas angeregt? Auf welchen Wegen geschieht dies? Welche Seiten, Bereiche, Regungen im Betrachter werden angesprochen? Betrifft die Anregung vornehmlich den Intellekt des Besuchers, sein Vorstellungsleben? Oder betrifft sie seine Tat- und Willenskomponenten? Seine Empfindungen, seine Stimmung? Könnte es sein, dass eine Phänomenologie solcher Werke, wie sie auf der documenta vorgestellt werden, wenn sie sich auch deren Wirkungsseite zuwendete, dazu beitragen könnte, Kriterien für die Bestimmung dessen zu liefern, was zeitgenössische Kunst ist und was vielleicht auch nicht?
Kunst als Handlungsraum
Zunächst mag der Blick noch auf zwei weitere Werke gerichtet werden, jedes von ihnen ganz eigener Art.
Die hinter nüchterner Dokumentation verborgene phantasievolle Aktion der tschechischen Künstlerin Kateřina Šedá erschließt sich erst durch die Lektüre der entsprechenden Beschreibung. For Every Dog A Different Master (nach einem tschechischen Sprichwort) führt den Besucher in die Heimatstadt Šedás und ist eine Arbeit für deren Bewohner im Zusammenhang mit einer Umbruchssituation, vor die sie gestellt wurden. Die farbliche Neugestaltung der größten Plattenbausiedlung des Ortes nimmt sie zum Anlass für eine Anregung des menschlichen Potenzials der Bewohner. Das anonyme Nebeneinander der als Schlafstadt dienenden Siedlung soll praktiziertem Miteinander weichen. Um dieses anzuregen, überträgt Šedá die neue farbliche Vielfalt der renovierten Gebäude in ein Bild, das als Stoffmuster seinen Weg auf 1000 Hemden nimmt. Ebenfalls 1000 Haushalte werden ausgewählt und einander als Absender und Adressaten zugeordnet. In der Folge erhalten 1000 Bewohner ein Paket mit Hemd, das als Absenderanschrift den Namen eines Mitbewohners trägt. Die Empfänger können sich mit den Absendern in Verbindung setzen, ein Anlass zur Kontaktaufnahme ist gegeben. Sie können sich durch das Tragen ihres Hemds als Teilnehmer an der Aktion in ihrem Wohnort zu erkennen geben. Was wird geschehen? Werden die Bewohner die Anregung aufgreifen? Die Künstlerin selbst tritt hinter ihre Aktion zurück. Sie verlässt die herkömmlichen Bahnen des Kunstschaffens und verbindet künstlerische Arbeit mit sozialem Engagement, auch dieses jedoch jenseits klassischer Formen.
Im Vergleich zu den zuvor skizzierten Werken geht Šedá einen Schritt weiter. Weder dokumentiert sie in erster Linie, noch bearbeitet sie ihr Thema mit den klassischen Mitteln der bildenden Kunst, auch symbolisiert sie nicht, indem sie reale Vorgänge in der Welt mit anderen Mitteln nachbaut oder -spielt. Sie arbeitet vielmehr mit Mitteln und auf eine Weise, die es ihr erlauben, Geschehen zwischen Menschen direkt anzuregen, ohne sich aufzudrängen. Dadurch erhält ihre Aktion den Charakter eines Vorlaufs, welcher ein Zweites, den »eigentlichen Vorgang« stimulieren oder auslösen will, ohne das allerdings absehbar wäre, ob dieser zustande kommt bzw. welcher Art er sein wird.
Enquête sur le/notre dehors
Ähnliches, dabei inhaltlich ganz anderer Art, gilt für Enquête sur le/notre dehors (Untersuchung über das/unser Außen) der in Paris lebenden argentinischen Künstlerin Alejandra Riera. Die 2003 begonnene Arbeit verfährt mehrgleisig. Zum einen geht es um Gespräche mit verschiedenen Menschen an unterschiedlichen Orten von São Paulo, die von Mitgliedern der Gruppe UEINZZ im Rahmen eines Theaterprojekts für psychisch labile Menschen geführt werden. Es handelt sich um eine Art Untersuchung verschiedener Schauplätze des Lebens. Das entsprechende Geschehen (beim Wiederaufbau eines Kulturzentrums, in einer Tagesklinik, vor dem Gebäude der Gesetzgebenden Versammlung u.a.) wird durch Videoaufnahmen festgehalten. Diesen zur Seite stellt Riera Fotografien ihrer eigenen Pariser Lebenswelt, die wiederum von komplexen, philosophisch anmutenden Erwägungen in Textform begleitet werden.
Durch die miteinander in Beziehung gesetzten Elemente wird der Betrachter mit Fragen in Berührung gebracht, die das Verhältnis verschiedener Innen- und Außenwelten sowie Grenzsituationen betreffen. Die Empfindung dabei: Es geht um Erkenntnis- und Lebensfragen, die auf eine völlig ungewöhnliche, zugleich ernst zu nehmende und anregende, Weise gestellt und bewegt werden. Wieder lässt sich »das Eigentliche« des Werks nur marginal dokumentieren. Dieses selbst spielt sich jenseits der präsentierten Dokumentation ab.
Geburtsvorgang einer Idee?
Nun sind die hier erwähnten Werke selbstverständlich eine knappe Auswahl unter vielem Vergleichbaren, aber auch unter sehr vielem und ganz anderen, das den abschließenden Gedanken zur zeitgenössischen Kunst nicht nur nicht zu stützen scheint, sondern geradezu als Beweis seines Gegenteils stehen könnte. Und doch!
Es schien grundsätzlich zwei Arten von Werken auf dieser Ausstellung zu geben. Die jeweiligen Grundzüge der beiden »Gruppen« lassen sich in Kürze mehr stimmungsmäßig darstellen, als im Einzelnen zufriedenstellend charakterisieren. Die Leser dieser Erwägungen, welche selbst die Gelegenheit hatten, die documenta 12 zu besuchen, mögen sich daher bei der Prüfung des Folgenden auf ihre eigenen Erinnerungseindrücke besinnen. Allen anderen Lesern mag der angefügte Abschlussgedanke als Anregung dienen für künftige Betrachtungen von Gegenwartskunst.
Die eine Art lebt, wie anfänglich, stümperhaft, stimmig oder unstimmig auch immer, aus und von einem deutlichen, meist direkt benennbaren oder durch den Schöpfer des jeweiligen Werkes benannten Weltbezug, in allen hier angeführten Beispielen konkret auffindbar. In vielen Fällen ist dies ein Bezug auf Menschen, deren Lebensumstände, Nöte, deren Schicksal. Es kann sich jedoch auch um andere Bezüge handeln wie in Enquête sur le/notre dehors angedeutet. Die jeweiligen Bezüge werden unterschiedlich in den Werken zum Ausdruck gebracht. Das Entscheidende dabei ist jedes Mal: Der Bezug ist echt, er ist wahr. Ganz richtig: dies zu entscheiden ist ausschließlich Sache des Betrachters, der sich den entsprechenden Werken aussetzt, sie unvoreingenommen aufzunehmen versucht, und fällt damit unter die Qualifizierung »subjektiv«. Der Betrachter kann sich irren, sich täuschen, auch gibt es Grenzfälle, denen gegenüber auch bei geschulter Empfindung keine unmittelbare Eindeutigkeit eintritt. Und es gibt die Werke der anderen Gruppe, die in sich verschlossen erscheinen, bezugslos, ja autistisch. Werke, die sich ganz darin erschöpfen, eventuell sogar trotz gedanklicher Bezüge, die der Hersteller ihnen zumisst, gleichsam in sich selbst zu versinken. Sie wirken unlebendig, sprach- wie seelenlos, eventuell zugleich jedoch aufsehenerregend, sensationell. Im Grunde jedoch wirken sie wie Irrgänger, gleichsam hilfsbedürftig.
Der Gesamtzusammenhang beider »Gruppen«, die selbstverständlich keine klar gegen einander abgrenzbaren Gruppen sind, sondern im Prozess befindliche Suchbewegungen, experimentelle Manifestationen eines umfassenden Forschungsgeschehens, wirkt wie der Geburtsvorgang einer Idee, die noch nicht in die Welt getreten, noch sich ihrer selbst bewusst ist. Als wären all die Irrungen und Verwirrungen, die sich zeitgenössische Kunst nennen, all die Versuche, Neues hervorzubringen und doch auch an Altes anzuknüpfen, als wären sie Maßnahmen, Schritte, Fingerübungen, die Idee einer zukünftigen Kunst zu gebären. Die Idee einer sozialen Kunst vielleicht, die aus Bezügen lebt und in ihnen schafft, deren Gestaltungsfeld menschliche Beziehungen und menschliches Leben sind, und die soziales Leben als gestaltungsnotwendig und gestaltbar erfährt. Die sich selbst (noch) nicht verstehende soziale Kunst von morgen in Form eines Vorentwurfs aus der Zukunft in die Gegenwart hinein, auf dem Weg zu den ihr möglichen, ihr eigenen
Ausdrucksformen eines kosmopolitischen Empfindens bzw. einer menschlich zu gestaltenden Globalisierung?
Nothart Rohlfs
Anmerkungen
¹ Die Documenta 12 hat vom 16.6. bis 23.9.2007 in Kassel stattgefunden.
² Vgl. Georg Schöllhammer (Hg.): documenta 12 Magazine No.1-3 Reader, Köln 2007.
³ Dies und alle folgenden Buergel-Zitate aus: Roger M. Buergel, Dez. 2005, Documenta- Seiten, http://www. documenta12.de
Der Artikel zum Download: »…um etwas herauszufinden.« documenta 12